Vollstreckung
öffentlicher-rechtlicher Forderungen im Ausland
von Rechtsanwalt
Dr.
Götz-Sebastian Hök, Berlin
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Die Beitreibung von Geldforderungen
gegen Schuldner im Ausland unterliegt besonderen Bedingungen, und zwar gleich
ob es sich um Ansprüche handelt, die dem öffentlichen Recht entspringen oder
auf zivilrechtlicher Grundlage beruhen. Die Vollstreckung aus
Vollstreckungstiteln, die ihren Ursprung im Inland haben, ist Teil dieser
Gesamtproblematik. In jedem Falle kann die Vollstreckung nur aus einem
Hoheitsakt erfolgen, gleich ob es sich dabei um ein Urteil, einen
Verwaltungsakt oder eine notarielle Urkunde handelt. Immer enden die
effektiven Wirkungen eines inländischen Vollstreckungstitels an den deutschen
Staatsgrenzen. Nicht weil dies der deutsche Staat so geregelt hätte, sondern
weil jeder ausländische Staat zunächst nur seine Hoheitsakte anerkennt und
vollzieht. Es herrscht das Territorrialitätsprinzip, im übrigen auch im
Verhältnis von Bund und Ländern und der Länder untereinander (vgl. Kopp/Kopp,
Die länderübergreifende Amtshilfe und Verwaltungsvollstreckungshilfe, BayVBl
1994, S. 229, 230; Huken, Die länderübergreifende Forderungspfändung, KKZ
1987, S. 161, 162; LAG Schleswig-Holstein KKZ 1965, S. 93, 95).
Mit der gängigen aber wohl inzwischen
(in der Europäischen Union) auch nicht mehr ganz haltbaren Formulierung,
"Ansprüche, die aus dem öffentlichen Recht eines anderen Staates fließen,
können vor ausländischen Gerichten grundsätzlich nicht durchgesetzt werden,
denn einem ausländischen Staat wird zur Durchsetzung seiner Steuer- und
Gebührenforderungen der inländische Justizapparat nicht zur Verfügung
gestellt", lehnt die deutsche Rechtsprechung die Beteiligung an der
Forderungsbeitreibung in bezug auf öffentlich-rechtliche Ansprüche anderer
Staaten ab (vgl. BGH WPM 1970, S. 785, 786; KG OLGE 20, S. 91). Das entspricht
der Haltung auf der ganzen Welt. Ihre Vertreter können sich etwa auf die
UN-Declaration on Principles of International Law concerning Friendly
Relations and Cooperation among States vom 24.10.1979 (9, International Legal
Materials, 1970, p. 1292) berufen, die es jedem Staat verbietet, sich in
Angelegenheiten einzumischen, die der inneren Jurisdiktion eines anderen
Staates unterstehen. Alle ausländischen Staaten lassen die Vollstreckung aus
Leistungsbescheiden aus Drittstaaten deshalb nur ausnahmsweise zu, denn die
Verwaltungsvollstreckung ist hoheitliche Tätigkeit, die im Ausland nicht
vollzogen werden kann (vgl. Scholtz in: Koch/Scholtz, AO, Anh. zu § 117 Rn. 1;
Oehler in Lexikon des Rechts, Völkerrecht, "Personalhoheit", S. 234). Im
Bereich der kommunalen Realsteuern (bestehen allerdings eine Reihe von
bilateralen Abkommen, die die Auslandsvollstreckung eröffnen. Für Abgaben ist
allein mit Österreich die partielle Gegenseitigkeit bei der
Auslandsvollstreckung verbürgt. Hieraus folgt, daß nach Mittel und Wegen zu
suchen ist, die Vollstreckung außerhalb der bekannten Methoden der
Verwaltungsvollstreckung zu betreiben.
Gegen Schuldner (Pflichtige) mit
Wohnsitz oder Sitz im Ausland kann regelmäßig nur die Vollstreckungshilfe
ausländischer Behörden in Anspruch genommen werden. Für die eigene Tätigkeit
der Vollstreckungsbehörde im Ausland fehlt es bereits an einer Rechtsgrundlage
(vgl. BGHZ 54, S. 157, 162 ff.; VG Gelsenkirchen KKZ 1986, S. 113, 113).
Hilfreich ist es allerdings, wenn ein vollstreckbarer Titel im Sinne der
Zivilprozeßordnung vorliegt. Rechtsgrundlagen für die Auslandsvollstreckung
aus einen Titel im Sinne der ZPO bieten die entsprechenden multilateralen oder
bilateralen Staatsverträge, denn Voraussetzung ist, daß der ausländische Staat
dem inländischen Titel Rechtswirkungen verleiht bzw. beimißt. Eine Aufzählung
findet sich in fast allen ZPO-Standardkommentaren. Hervorzuheben sind:
Das Brüsseler Gerichtsstands- und
Vollstreckungsübereinkommen
Das Luganer Gerichtsstands- und
Vollstreckungsübereinkommen
Die deutschen Behörden können nicht
ohne weiteres und jederzeit um Amts- bzw. Rechtshilfe im Ausland ersuchen.
Auch insoweit bedürfen sie hierzu jeweils einer Rechtsgrundlage. Nur in
den Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Sachsen, Thüringen ist die
grenzübergreifende Vollstreckungshilfe eingehend geregelt. In den meisten
Bundesländern, wie Bayern, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern,
Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein fehlen
Regelungen zur Vollstreckungshilfe (vgl. Kopp/Kopp, Die länderübergreifende
Amtshilfe und Vollstreckungshilfe, BayVBl 1994, S. 229, 229).
Vollstreckungsmaßnahmen von Behörden in einem Land gegen Schuldner in anderen
Ländern sind nur zulässig, wenn die Verwaltungsvollstreckungsgesetze der
beteiligten Länder entsprechende Befugnisse und damit korrespondierende
Verpflichtungen für grenzüberschreitende Vollstreckungshandlungen vorsehen
(vgl. OVG Rheinland-Pflaz KKZ 1993, S. 139, 139); eine Voraussetzung, die
derzeit fast in keinem Land im erforderlichen Ausmaß erfüllt ist.
Entsprechendes gilt auch im Verhältnis von Bund und Ländern (vgl. Huken, Die
länderübergreifende Forderungspfändung, KKZ 1987, S. 161, 162; LAG
Schleswig-Holstein KKZ 1965, S. 93, 95). Die Bestimmungen der
Verwaltungsverfahrensgesetze über die Amtshilfe und Art 35 Abs. 1 GG schaffen
im Grunde genommen keine ausreichende Rechtsgrundlage; gleichwohl berufen sich
in Praxis die Vollstreckungsbehörden hierauf. Für die ergänzende
Vollstreckungshilfe wird dies auch weitgehend anerkannt, nicht jedoch für die
sog. gesteigerte Amtshilfe (vgl. Kopp/Kopp, Die länderübergreifende Amtshilfe
und Vollstreckungshilfe, BayVBl 1994, S. 229, 232). Ob allerdings Art. 35 Abs.
1 GG auch für die staatsgrenzenübergreifende Vollstreckungshilfe herangezogen
werden darf, ist zumindestens fraglich, denn Art. 35 Abs. 1 GG bringt
lediglich die Einheit des staatlichen Organismus zum Ausdruck. Art. 35 Abs. 1
GG verbindet die Bundesländer zu einem Gesamtverband, in sich die Bundesländer
wechselseitig Treue und Rücksichtnahme schulden (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs,
VwVfG, § 4 Rn. 1). Für die §§ 4 bis 8 VwVfG gilt entsprechendes. Der den
Vorschriften innewohnende vornehmlich inlandsbezogene Anwendungsbereich trägt
im allgemein die Amtshilfe im Verhältnis zum Ausland nicht (Stelkens/Bonk/Sachs,
VwVfG, § 4 Rn. 16). Lediglich für den Fall, daß völkervertragliche Regelungen
nicht gegeben sind, bleiben die §§ 4 ff. VwVfG lückenfüllend anwendbar. Fehlen
völkerrechtliche Absprachen, richten sich Amtshilfepflichten und –rechte nach
den Grundsätzen völkerrechtlicher Höflichkeit (BVerwG NJW 1984, S. 574, 574;
Strupp-Schlochauer, Völkerrecht I, S. 301). Sie überwindet den
Territorrialitsgrundsatz, der zugleich ihre Grenzen zieht. Allerdings hat sich
insoweit noch kein meßbarer Standard entwickelt. Dem Völkerrecht wohnt zwar
das Prinzip der Zusammenarbeit aller Staaten inne, geprägt durch den Gedanken
der internationalen, institutionell verfestigten Solidarität (vgl. Vitzthum
in: Bothe/Hailbronner/Klein/Kunig/Schröder/Vitzthum, Völkerrecht, I Rn. 79).
Echte Rechtspflichten lassen sich aber hieraus noch nicht ableiten (BVerwG NJW
1984, S. 574, 574). Rechtshilfe kann überdies auch im Rahmen der
internationalen Courtoisie nicht uneingeschränkt gewährt werden. Das BVerfG
verlangt, daß das materielle ausländische Recht nicht gegen den deutsche ordre
public verstößt und daß der ausländische Titel in einem Verfahren
zustandegekommen ist, das rechtsstaatliche Mindeststandards wahrt (BVerfG NJW
1983, S. 2757, 2760).
Der ersuchte ausländische Staat kann
seinerseits durchaus Rechtshilfe leisten, wenn er will, auch ohne daß die
Rechtshilfe in einer völkervertraglichen Form abgesichert ist. Besteht ein
völkerrechtliches Abkommen, ist es deshalb auch möglich, über die Regelungen
des Abkommens hinaus Amts- und Rechtshilfe zu erbitten. Ob der ersuchte Staat
Rechtshilfe leistet, liegt dann allerdings ausschließlich in seinem Ermessen
(Förster in: Koch/Scholtz, AO, § 117 Rn. 4; Vogel, DBA, Einl. Rn. 10a). Nur im
Rahmen völkvertraglicher Verpflichtungen muß der angerufene ausländische Staat
die vereinbarte Rechtshilfe leisten.
Deutschland gewährt im Rahmen der
völkerrechtlichen Höflichkeit Amtshilfe nur, wenn die Gegenseitigkeit
verbürgt ist, § 117 Abs. 3 Nr. 1 AO. Die deutschen Behörden haben zu prüfen,
ob der ersuchende Staat im allgemeinen und nach den bisherigen Erfahrungen mit
Gewißheit besteht, daß der ausländische Staat die Gegenseitigkeit praktizieren
kann und auch tatsächlich praktiziert (Förster in: Koch/Scholtz, AO, § 117 Rn.
15). Ähnlich handhaben es alle anderen Staaten in der Welt, wobei bislang
Nachweise für eine aktive Praxis wechselseitiger Vollstreckung in
Angelegenheiten des öffentlichen Rechts nicht nachgewiesen werden kann und
ggf. die Prüfung des jeweiligen Rechtes im Vollstreckungsstaat vorbehalten muß.
Die bisherigen Forschungsdefizite auf diesem Gebiet können im Rahmen dieser
Ausführungen nicht nachgeholt werden.
Nicht ausreichend ist, daß sich die
ersuchende Behörde (bzw. der ersuchende Staat) auf eine Rechtsgrundlage
berufen kann. Ist zwar die Ausgangsbehörde ermächtigt, außerhalb ihres
Hoheitsbereiches Pfändungsverfügungen zu erlassen bzw. zur Zustellung zu
bringen, so muß im Vollstreckungsgebiet eine entsprechende Vorschrift
bestehen, die die Maßnahmen zuläßt. Fehlt sie, ist die Pfändung nichtig (vgl.
BGHZ 54, S. 157). Dieser Ansatz ist auch mit Auslandsbezug zu beachten.
(Auszug aus der Kommentierung des
Handbuches für das Verwaltungszwangsverfahren, Verlag Reckinger & Co Siegburg,
mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers, des Fachverbandes der
Kommunalkassenverwalter)
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