Berichte zu den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes betreffend das
Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen
bearbeitet von
Rechtsanwalt
Dr.
Götz-Sebastian Hök Berlin
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Der EuGH hat am 27.10.1998 in der
Rechtssache C-51/97 neuerlich über die Auslegung von Artikel 5 Nummern 1 und 3
und Artikel 6 des Übereinkommens entschieden:
Leitsätze:
(1) Die Klage, mit der der Empfänger
von Waren, an denen nach einem Transport zunächst auf See und dann über Land
Transportschäden festgestellt worden sind, oder sein Versicherer, der nach
Zahlung der Entschädigung an den Empfänger in dessen Rechte eingetreten ist,
Ersatz seines Schadens unter Berufung auf das für den Seetransport
ausgestellte Konnossement nicht von demjenigen verlangt, der dieses Dokument
unter seiner Firma ausgestellt hat, sondern von der Person, die der Kläger als
den tatsächlichen Verfrachter ansieht, hat nicht einen Vertrag oder Ansprüche
aus einem Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens vom 27.
September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung
gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zum Gegenstand.
(2) Der Ort, an dem der Empfänger nach
der Durchführung des Seetransports und des abschließenden Transports über Land
nur die Transportschäden an den ihm gelieferten Waren festgestellt hat, kann
nicht zur Bestimmung des "Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten
ist", im Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens vom 27. September
1968 in der Auslegung durch den Gerichtshof dienen.
(3) Nach Artikel 6 Nummer 1 des
Übereinkommens vom 27. September 1968 kann ein Beklagter, der seinen Wohnsitz
im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, nicht in einem anderen
Vertragsstaat vor dem Gericht, bei dem eine Klage gegen einen Mitbeklagten mit
Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets eines Vertragsstaats anhängig ist, mit
der Begründung verklagt werden, daß der Rechtsstreit unteilbaren und nicht nur
zusammenhängenden Charakter habe.
I. Sachverhalt und Prozeßgeschichte
1. Die Cour de Cassation hatte mit
Urteil vom 28. Januar 1997, gemäß dem Protokoll vom 3. Juni 1971 betreffend
die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und
Handelssachen durch den Gerichtshof vier Fragen nach der Auslegung von Artikel
5 Nummern 1 und 3 und Artikel 6 dieses Übereinkommens (ABl. 1972, L 299, S.
32) in der Fassung der Übereinkommen vom 9. Oktober 1978 über den Beitritt des
Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien
und Nordirland (ABl. L
304, S. 1, und — geänderte Fassung — S. 77), vom 25. Oktober 1982 über den
Beitritt der Republik Griechenland (ABl. L 388, S. 1) und vom 26. Mai 1989
über den Beitritt des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik (ABl.
L 285, S. 1) (im folgenden: Übereinkommen) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2. Diese Fragen stellten sich in einem
Rechtsstreit zwischen neun Versicherungsgesellschaften und der Firma Réunion
européenne als Erstversichererin, die in die Rechte der Firma Brambi fruits
(im folgenden: Firma Brambi) mit Sitz in Rungis (Frankreich) eingetreten sind,
einerseits (im folgenden: Versicherer) und der Spliethoff's
Bevrachtingskantoor BV mit Sitz in Amsterdam (Niederlande) sowie dem in den
Niederlanden ansässigen Kapitän des Schiffes "Alblasgracht V002" andererseits
(im folgenden auch: Beklagte), nachdem bei der Lieferung einer Schiffsladung
von 5 199 Kartons Birnen an die Firma Brambi, an deren Transport die Beklagten
beteiligt waren, Transportschäden festgestellt worden waren.
Die Waren, um die es im Ausgangsverfahren ging, wurden in acht Kühlcontainern
zunächst auf dem Seeweg mit dem Schiff "Alblasgracht V002" von Melbourne
(Australien) nach Rotterdam (Niederlande) transportiert, wobei für den
Transport von der Firma Refrigerated container carriers PTY Ltd (im folgenden:
Firma RCC) mit Sitz in Sydney (Australien) am 8. Mai 1992 in Sydney ein
Konnossement auf den Inhaber ausgestellt worden war; anschließend wurden sie,
begleitet von einem internationalen Frachtbrief, von Rotterdam nach Rungis
(Frankreich) auf der Straße weiterbefördert. In Rungis ließ die Firma Brambi
Transportschäden feststellen, die sich aus einer auf eine Unterbrechung der
Kühlkette zurückzuführenden vorzeitigen Reifung der Früchte ergaben.
Die Versicherer übernahmen den der Firma Brambi entstandenen Schaden. Nachdem
sie nach Zahlung der Entschädigung an diese Firma in deren Rechte eingetreten
waren, erhoben sie bei dem für Rungis örtlich zuständigen Tribunal de commerce
Créteil Schadensersatzklage gegen die Firma RCC, die das Konnossement unter
ihrer Firma für den Seeabschnitt der Beförderungsstrecke ausgestellt hatte,
die Spliethoff's Bevrachtingskantoor BV, die, obwohl sie im Konnossement nicht
genannt war, den Seetransport tatsächlich durchgeführt hatte, und den Kapitän
des Schiffes "Alblasgracht V002" in seiner Eigenschaft als Vertreter der
Reeder, der Befrachter und des Eigentümers dieses Schiffes.
3. Mit Urteil vom 17. Mai 1994 bejahte
das Tribunal de commerce Créteil seine Zuständigkeit für die Entscheidung über
die Klage, soweit diese gegen die Firma RCC gerichtet war, mit der Begründung,
daß die Waren an die Firma Brambi in Rungis zu liefern gewesen seien. Es
verneinte dagegen seine Zuständigkeit nach Artikel 5 Nummer 1 des
Übereinkommens, soweit die Klage gegen die Spliethoff's Bevrachtingskantoor BV
und den Kapitän des Schiffes "Alblasgracht V002" gerichtet war, mit der
Begründung, daß es sich nicht um einen gemischten Transport von Melbourne nach
Rungis gehandelt habe, weil für die Beförderung von Rotterdam nach Rungis ein
internationaler Frachtbrief ausgestellt worden sei. Das Tribunal de commerce
Créteil erklärte sich daher für die Entscheidung über die Klage der
Versicherer gegen die Spliethoff's Bevrachtingskantoor BV und den Kapitän des
Schiffes "Alblasgracht V002" zugunsten der Gerichte von Rotterdam — als den
Gerichten des Ortes, an dem die Verpflichtung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1
des Übereinkommens erfüllt worden sei — oder der Gerichte von Amsterdam oder
Sydney — nach Artikel 6 Nummer 1 des Übereinkommens könne eine Person, wenn
mehrere Personen zusammen verklagt würden, auch vor dem Gericht verklagt
werden, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz habe — für
unzuständig.
4. Nachdem die Cour d'appel Paris mit
Urteil vom 16. November 1994 bestätigt hatte, daß dem Tribunal de commerce
Créteil für die Entscheidung über die Klage gegen die Spliethoff's
Bevrachtingskantoor BV und den Kapitän des Schiffes "Alblasgracht V002" die
internationale Zuständigkeit fehle, legten die Versicherer
Kassationsbeschwerde ein, mit der sie geltend machten, es sei nicht
festgestellt worden, daß die Firma Brambi mit den Beklagten einen Vertrag
geschlossen habe, so daß die Cour d'appel ihnen gegenüber nicht Artikel 5
Nummer 1 des Übereinkommens anwenden könne. Dieses Gericht hätte Artikel 5
Nummer 3 des Übereinkommens über die Zuweisung der Zuständigkeit im Fall der
Haftung aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten
Handlung gleichgestellt sei, anwenden müssen. Hilfsweise machten die
Versicherer geltend, der Rechtsstreit sei unteilbar, da die Firma RCC und die
Beklagten am selben Transportvorgang beteiligt gewesen seien. Daher hätte sich
das Tribunal de commerce Créteil, nachdem es sich als zuständig für die
Entscheidung über den Klageantrag gegen die Firma RCC angesehen habe, auch
insoweit für zuständig erklären müssen.
II. Fragestellung
Da die Cour de Cassation der
Auffassung war, daß die Entscheidung des Rechtsstreits die Auslegung des
Übereinkommens erfordere, hat sie das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof
folgende Fragen vorgelegt:
Ist die Klage, mit der der Empfänger von Waren, an denen nach einem Transport
zunächst auf See und dann über Land Transportschäden festgestellt worden sind,
oder sein Versicherer, der nach Zahlung der Entschädigung an den Empfänger in
dessen Rechte eingetreten ist, Ersatz seines Schadens unter Berufung auf das
für den Seetransport ausgestellte Konnossement nicht von demjenigen verlangt,
der dieses Dokument unter seiner Firma ausgestellt hat, sondern von der
Person, die der Kläger als den tatsächlichen Verfrachter ansieht, auf den
Beförderungsvertrag gestützt, und hat sie aus diesem oder einem anderen Grund
im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens einen Vertrag oder
Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand?
Bilden, falls die erste Frage verneint wird, eine unerlaubte Handlung oder
eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder
Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne des Artikels 5 Nummer 3 des
Übereinkommens den Gegenstand der Klage, oder ist auf die prinzipielle
Zuständigkeitsregel des Artikels 2 des Übereinkommens zurückzugreifen, wonach
die Gerichte des Staates zuständig sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz
hat?
Falls davon auszugehen ist, daß eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung,
die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist oder Ansprüche aus einer
solchen Handlung den Gegenstand der Klage bilden, kann dann — und unter
welchen Voraussetzungen — der Ort, an dem der Empfänger nach der Durchführung
des Seetransports und des abschließenden Transports über Land nur die
Transportschäden an den ihm gelieferten Waren festgestellt hat, den Ort, an
dem der Schaden eingetreten ist, darstellen, der nach dem Urteil vom 30.
November 1976 in der Rechtssache 21/76 (Bier/Mines de potasses d'Alsace, Slg.
1976, 1735) der "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", im
Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens sein kann?
Kann ein Beklagter, der seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats
hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht, bei dem eine Klage gegen
einen Mitbeklagten mit Wohnsitz außerhalb des Hoheitsgebiets eines
Vertragsstaats anhängig ist, mit der Begründung verklagt werden, daß der
Rechtsstreit unteilbaren und nicht nur zusammenhängenden Charakter habe?
III. Entscheidung
Der Gerichtshof beantwortete die
Fragen wie folgt:
1. Nach ständiger Rechtsprechung
(Urteile vom 22. März 1983 in der Rechtssache 34/82, Peters, Slg. 1983, 987,
Randnrn. 9 und 10, vom 8. März 1988 in der Rechtssache 9/87 Arcado, 1988,
1539, Randnrn. 10 und 11, und vom 17. Juni 1992 in der Rechtssache C-26/91,
Handte, Slg. 1992, I-3967, Randnr. 10) ist der Begriff "Vertrag oder Ansprüche
aus einem Vertrag" im Sinne von Artikel 5 Nummer 1 autonom auszulegen, um die
einheitliche Anwendung des Übereinkommens in allen Vertragsstaaten zu
gewährleisten, wobei in erster Linie die Systematik und die Zielsetzungen des
Übereinkommens berücksichtigt werden müssen; dieser Begriff läßt sich deshalb
nicht als Verweisung auf die Qualifizierung des dem nationalen Gericht
unterbreiteten Rechtsverhältnisses nach dem anwendbaren nationalen Recht
verstehen.
Des weiteren gilt nach ständiger Rechtsprechung im System des Übereinkommens
der allgemeine Grundsatz, daß die Gerichte des Vertragsstaats zuständig sind,
in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat; nur in Abweichung
von diesem Grundsatz führt das Übereinkommen von diesem Grundsatz abschließend
die Fälle auf, in denen eine Person vor den Gerichten eines anderen
Vertragsstaats — je nach Lage des Falles — verklagt werden kann oder muß.
Infolgedessen sind die von diesem allgemeinen Grundsatz abweichenden
Zuständigkeitsregeln einer Auslegung nicht zugänglich, die über die in dem
Übereinkommen vorgesehenen Fälle hinausgeht (siehe insbesondere Urteil vom 3.
Juli 1997 in der Rechtssache C-269/95, Benincasa, Slg. 1997, I-3767, Randnr.
13).
Daraus folgt, wie der Gerichtshof im Urteil Handte (Randnr. 15) ausgeführt
hat, daß der Begriff "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne des
Artikels 5 Nummer 1 des Übereinkommens nicht so verstanden werden kann, daß er
eine Situation erfaßt, in der es an einer von einer Partei gegenüber einer
anderen freiwillig eingegangenen Verpflichtung fehlt.
Im vorliegenden Fall ergab sich aus den Feststellungen des erst- und des
zweitinstanzlichen Gerichts, daß das von der Firma RCC auf den Inhaber
ausgestellte Konnossement für den Seetransport der Ware bis Rotterdam galt,
den Hafen der Entladung und der Auslieferung, daß in ihm die Firma Brambi als
die von der Ankunft der Ware zu benachrichtigende Person bezeichnet war und
daß es die Angabe enthielt, daß der Transport mit dem Schiff "Alblasgracht
V002" durchzuführen sei. Daher hielt der EuGH fest, daß diesem Konnossement
keine freiwillig eingegangene vertragliche Verbindung zwischen der Firma
Brambi und den Beklagten zu entnehmen war, die nach Auffassung der Versicherer
die tatsächlichen Verfrachter dieser Ware waren. Folgerichtig verneinte der
Gerichtshof, daß die von den Versicherern gegen die Beklagten erhobene Klage
einen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag im Sinne von Artikel 5 Nummer 1
des Übereinkommens zum Gegenstand hatten.
2. Sodann prüfte der Gerichtshof, ob
eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung
gleichgestellt war, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne von
Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens den Gegenstand der Klage bildeten. Im
Urteil vom 27. September 1988 -Rechtssache 189/87 (Kalfelis, Slg. 1988, 5565,
Randnr. 18)- hatte der Gerichtshof den Begriff "unerlaubte Handlung" im Sinne
von Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens als autonomen Begriff definiert, der
sich auf alle Klagen beziehe, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten
geltend gemacht werde und die nicht an einen "Vertrag" im Sinne von Artikel 5
Nummer 1 anknüpften. Dies, so der gerichtshof, sei bei der Klage im
Ausgangsverfahren der Fall. Mit einer Klage, mit der Versicherer, die in die
Rechte des Empfängers von Waren eingetreten seien, an denen nach einer
Beförderung auf See und sodann über Land Transportschäden festgestellt worden
seien, unter Berufung auf das für den Seetransport ausgestellte Konnossement
von den Personen, die die Versicherer als die tatsächlichen Verfrachter
ansehen, Schadensersatz verlangten, werde die Haftung dieser Personen geltend
gemacht; sie knüpft, wie sich aus den Randnummern 18 bis 20 dieses Urteils
ergebe, nicht an einen "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" im Sinne von
Artikel 5 Nummer 1 des Übereinkommens an. Die Klage habe daher eine unerlaubte
Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt
sei, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung im Sinne von Artikel 5 Nummer 3
des Übereinkommens zum Gegenstand, so daß die Anwendung des allgemeinen
Grundsatzes des Artikels 2 Absatz 1 des Übereinkommens, wonach die Gerichte
des Staates zuständig sind, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz hat,
auszuschließen sei.
Die bei unerlaubten Handlungen gegebene Zuständigkeit des Gerichts des Ortes,
an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, gehöre, so der EuGH, zu den
"besonderen Zuständigkeiten" nach den Artikeln 5 und 6 des Übereinkommens, die
Abweichungen vom allgemeinen Grundsatz des Artikels 2 Absatz 1 darstellen.
3. Wie der Gerichtshof wiederholt
(vgl. Urteil Mines de potasse d'Alsace, Randnr. 11, Urteile vom 11. Januar
1990 in der Rechtssache C-220/88, Dumez France und Tracoba, Slg. 1990, I-49,
Randnr. 17, vom 7. März 1995 in der Rechtssache C-68/93, Shevill u. a., Slg.
1995, I-415, Randnr. 19, und vom 19. September 1995 in der Rechtssache
C-364/93, Marinari, Slg. 1995, I-2719, Randnr. 10) ausgeführt hat, beruht die
besondere Zuständigkeit nach Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens, die sich
aus einer Wahl des Klägers ergibt, darauf, daß zwischen der Streitigkeit und
anderen Gerichten als denen des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz
hat, eine besonders enge Beziehung besteht, die aus Gründen einer geordneten
Rechtspflege und einer sachgerechten Gestaltung des Prozesses eine
Zuständigkeit dieser Gerichte rechtfertigt. Ferner hat der Gerichtshof in den
Urteilen Mines de potasse d'Alsace (Randnrn. 24 und 25) und Shevill (Randnr.
20) ausgeführt, daß dann, wenn der Ort, an dem das für die Begründung einer
Schadensersatzpflicht wegen unerlaubter Handlung in Betracht kommende Ereignis
stattgefunden hat, nicht auch der Ort ist, an dem aus diesem Ereignis ein
Schaden entstanden ist, der Begriff "Ort, an dem das schädigende Ereignis
eingetreten ist", in Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens so zu verstehen
ist, daß er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist, als auch den
Ort des ursächlichen Geschehens meint. Der Beklagte kann daher nach Wahl des
Klägers bei dem Gericht des einen oder des anderen dieser beiden Orte verklagt
werden. Im Urteil Marinari (Randnr. 13) hatte der Gerichtshof jedoch
klargestellt, daß diese dem Kläger eröffnete Wahlmöglichkeit nicht über die
sie rechtfertigenden besonderen Umstände hinaus erweitert werden dürfe, solle
nicht der in Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens aufgestellte allgemeine
Grundsatz der Zuständigkeit der Gerichte des Vertragsstaats, in dessen
Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ausgehöhlt und im Ergebnis
über die ausdrücklich vorgesehenen Fälle hinaus die Zuständigkeit der Gerichte
am Wohnsitz des Klägers anerkannt werden, gegen die sich die Verfasser des
Übereinkommens ausgesprochen hatten, indem sie in Artikel 3 Absatz 2 die
Anwendung innerstaatlicher Vorschriften, die derartige Gerichtsstände
vorsehen, gegenüber Beklagten, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines
Vertragsstaats haben, ausschlossen. Wie der Gerichtshof daraus in Randnummer
14 des Urteils Marinari geschlossen hat, ist zwar somit anerkannt, daß die
Wendung "Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist" im Sinne von
Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens sowohl den Ort, an dem der Schaden
entstanden ist, als auch den Ort des ursächlichen Geschehens bezeichnen kann,
doch kann sie nicht so weit ausgelegt werden, daß sie jeden Ort erfaßt, an dem
die schädigenden Folgen eines Umstands spürbar werden können, der bereits
einen Schaden verursacht hat, der tatsächlich an einem anderen Ort entstanden
ist. Aus den gleichen Gründen hat der Gerichtshof im Urteil Dumez France und
Tracoba für Recht erkannt, daß die Zuständigkeitsregel des Artikels 5 Nummer 3
des Übereinkommens nicht so ausgelegt werden kann, daß sie es einer Person,
die einen Schaden als Folge des Schadens geltend macht, den andere Personen
unmittelbar aufgrund des schädigenden Ereignisses erlitten haben, erlaubt, den
Urheber dieses Ereignisses vor den Gerichten des Ortes zu verklagen, an dem
sie selbst den Schaden an ihrem Vermögen festgestellt hat.
Folglich kann der Empfänger von Waren, der nach Durchführung des Seetransports
und des abschließenden Transports über Land Transportschäden an den ihm
gelieferten Waren feststellt, die Person, die er als den tatsächlichen
Verfrachter ansieht, entweder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Schaden
eingetreten ist, oder vor dem Gericht des Ortes des ursächlichen Geschehens
verklagen. Der Ort, an dem der Empfänger nach der Durchführung des
Seetransports und des abschließenden Transports über Land nur die
Transportschäden an den ihm gelieferten Waren festgestellt hat, kann nicht zur
Bestimmung des "Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist", im
Sinne von Artikel 5 Nummer 3 des Übereinkommens in der Auslegung durch den
Gerichtshof dienen.
4. Das Übereinkommen kennt nicht den
Begriff eines "unteilbaren" Rechtsstreits. Es bezieht sich nur auf Klagen
bezieht, die "im Zusammenhang stehen". Wie der Gerichtshof im Urteil vom 24.
Juni 1981 in der Rechtssache 150/80 (Elefanten Schuh, Slg. 1981, 1671, Randnr.
19) ausgeführt hat, regelt Artikel 22 des Übereinkommens die Behandlung im
Zusammenhang stehender Klagen, die bei Gerichten verschiedener Vertragsstaaten
anhängig gemacht worden sind. Er schafft keine Zuständigkeiten; insbesondere
begründet er nicht die Zuständigkeit des Gerichts eines Vertragsstaats für die
Entscheidung über eine Klage, die mit einer anderen Klage im Zusammenhang
steht, die gemäß dem Übereinkommen bei diesem Gericht anhängig gemacht worden
ist. Das mit dem Übereinkommen angestrebte Ziel der Rechtssicherheit würde
nicht erreicht, wenn der Umstand, daß sich das Gericht eines Vertragsstaats in
bezug auf einen der Beklagten, der seinen Wohnsitz nicht in einem
Vertragsstaat hat, für zuständig erklärt hat, es ermöglichen würde, einen
anderen Beklagten, der seinen Wohnsitz in einem Vertragsstaat hat, außerhalb
der im Übereinkommen vorgesehenen Fälle vor diesem Gericht zu verklagen; denn
hierdurch würde diesem der durch die Bestimmungen des Übereinkommens gewährte
Schutz genommen. Der Gerichtshof hat daher im Urteil Kalfelis nach dem Hinweis
darauf, daß Artikel 6 Nummer 1 des Übereinkommens ebenso wie Artikel 22
vermeiden wolle, daß in einzelnen Vertragsstaaten miteinander unvereinbare
Entscheidungen ergehen, für Recht erkannt, daß zur Anwendung von Artikel 6
Nummer 1 zwischen den verschiedenen Klagen eines Klägers gegen verschiedene
Beklagte ein Zusammenhang bestehen muß, der eine gemeinsame Entscheidung
geboten erscheinen läßt, um zu vermeiden, daß in getrennten Verfahren
widersprechende Entscheidungen ergehen könnten. Der Gerichtshof hat dazu im
Urteil Kalfelis weiter für Recht erkannt, daß ein Gericht, das nach Artikel 5
Nummer 3 des Übereinkommens für die Entscheidung über eine Klage unter einem
auf deliktischer Grundlage beruhenden Gesichtspunkt zuständig ist, nicht auch
zuständig ist, über diese Klage unter anderen, nichtdeliktischen
Gesichtspunkten zu entscheiden. Daher können zwei im Rahmen einer einzigen
Schadensersatzklage gegen verschiedene Beklagte gerichtete Klagebegehren, von
denen das eine auf vertragliche, das andere auf deliktische Haftung gestützt
wird, nicht als im Zusammenhang stehend angesehen werden.
Schließlich bringt es, wie der Gerichtshof im Urteil Kalfelis (Randnr. 20)
festgestellt hat, zwar Nachteile mit sich, wenn verschiedene Gerichte über die
einzelnen Aspekte eines Rechtsstreits entscheiden, doch hat zum einen der
Kläger stets die Möglichkeit, seine Klage unter sämtlichen Gesichtspunkten vor
das Gericht des Wohnsitzes des Beklagten zu bringen, und zum anderen
ermöglicht es Artikel 22 des Übereinkommens dem zuerst angerufenen Gericht
unter bestimmten Umständen, über den gesamten Rechtsstreit zu befinden, wenn
zwischen den vor verschiedenen Gerichten erhobenen Klagen ein Zusammenhang
besteht.
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