Der Erbschein
Rechtsanwalt
Dr. Götz-Sebastian Hök, Berlin
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|Antrag|
|Entscheidung| |Inhalt des
Erbscheines| |Amtsermittlungsgrundsatz| |Kosten|
|Rechtsmittel| |Regreß| |Weitere
Auskünfte|
Eeinführung
Das Nachlaßgericht hat dem Erben auf Antrag ein
Zeugnis über sein Erbrecht und, wenn er nur zu einem Teile der Erbschaft
berufen ist, über die Größe des Erbteils zu erteilen (§ 2353 BGB.). Der
Gesetzgeber nennt dieses Zeugnis einen Erbschein. Er kommt auch als
gegenständlich beschränkter Erbschein vor (§ 2369 BGB). Der Erbschein ist
ein Verfügungsausweis des Erben. Er wird nicht zwingend benötigt, um an
das Erbe zu gelangen. Der Erbe benötigt den Erbschein allerdings, wenn er
sich im Rechtsverkehr ausweisen will bzw. muss. Dies kann z.B. der Fall
sein gegenüber Banken und Grundbuchämtern. Gemäß § 2365 BGB wird vermutet,
dass demjenigen, welcher in dem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, das in
dem Erbschein angegebene Erbrecht zusteht und dass er nicht durch andere
als die angegebenen Anordnungen in seiner Handlungsbefugnis beschränkt
sei. Wer von demjenigen etwas erwirbt, der im Erbschein als Erbe
ausgewiesen ist, kann darauf vertrauen, dass das Geschäft wirksam ist. In
einem solchen Fall spricht man von gutgläubigem Erwerb, d.h. der Erwerber
erwirbt auch dann, wenn der im Erbschein ausgewiesen Erbe tatsächlich gar
nicht der wahre Erbe ist (§ 2366 BGB). Allerdings wird nur der redliche
Erwerber geschützt, d.h. derjenige, der nichts von der Unrichtigkeit des
Erbscheines weiss. § 2366 BGB macht den Erbschein zu einem sehr wichtigen
Ausweis und dies erklärt auch, warum es ein aufwendiges und förmliches
Verfahren gibt, in dem geprüft wird, ob ein Erbschein erteilt werden kann.
I.
Antrag
Gemäß § 2354 BGB muss der Erbe folgende Angaben
machen, wenn er einen Erbschein erhalten will:
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die Zeit des Todes des Erblassers |
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das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht |
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ob und welche Personen vorhanden sind oder
vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder
sein Erbteil gemindert werden würde |
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ob und welche Verfügungen des Erblassers von
Todes wegen vorhanden sind |
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ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig
ist |
Liegt eine Verfügung von Todes wegen (Testament)
vor, muss der Erbe die Verfügung bezeichnen, auf der sein Erbrecht beruht.
Ferner muss der Erbe angeben, ob und welche sonstigen Verfügungen des
Erblassers von Todes wegen vorhanden sind.
Der Antragsteller muss die Richtigkeit der in
Gemäßheit des § 2354 I Nr. 1 und 2 und II BGB gemachten Angaben durch
öffentliche Urkunde nachweisen und im Falle des § 2355 BGB die Urkunde
vorlegen, auf der sein Erbrecht beruht (§ 2356 I BGB). Der Antragsteller
muss die Richtigkeit seiner Angaben nach § 2356 II 1 BGB an Eides Statt
versichern. Das Nachlaßgericht kann von dieser Verpflichtung nur Abstand
nehmen, wenn es sie für nicht erforderlich erachtet. Der Erlaß liegt im
pflichtgemässen Ermessen des Gerichts. Wird nach Wegfall der
Testamentsvollstreckung die Erteilung eines der veränderten Sachlage
entsprechenden Erbscheines begehrt, kann eine erneute Eidesstattliche
Versicherung erforderlich werden (vgl. KG OLGZ 67, 248).
Die öffentliche Urkunde kann vor einem Notar
errichtet werden. In einfachen Fällen kann versucht werden, das
Amtsgericht um Erlaß der Urkundenherstellung zu bitten (vgl. Firsching/Graf,
Nachlaßrecht, Rn. 4.165).
II.
Entscheidung
Zuständig für die Erteilung des Erbscheines ist
das Nachlaßgericht (§ 2353 BGB). Anträge, die bei dem Beschwerdegericht
gestellt werden, sind unbeachtlich. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht
als Nachlaßgericht (§ 72 FGG). Örtlich zuständig ist das Nachlaßgericht am
letzten Wohnsitz des Erblassers (§ 73 I FGG). Funktionell zuständig ist
der Rechtspfleger. Der Richter ist nur noch zuständig bei Verfügungen von
Todes wegen und im Falle der Beantragung eines gegenständlich beschränkten
Erbscheines.
Das Nachlaßgericht muß rechtliches Gehör
gewähren. Ist über den Nachlaß ein Rechtsstreit anhängig, muß vor
Erteilung des Erbscheines der Gegner gehört werden (§ 2360 BGB, Art. 103 I
GG).
Das Nachlaßgericht ist an den jeweiligen Antrag
gebunden. Es darf daher keinen anderen als den beantragten Erbschein
erteilen (Palandt/Edenhofer, BGB, § 2353 Rn. 21). Das Nachlaßgericht hat
mithin stets nur zwei Möglichkeiten: es kann den gestellten Antrag
ablehnen oder ihm stattgeben (Palandt/Edenhofer, BGB, § 2353 Rn. 21). Es
darf inhaltlich nicht von dem gestellten Antrag abweichen oder ihm nur
teilweise stattgeben (BayObLGZ 1967, 1, 8; BayObLGZ 1973, 28; Firsching/Graf,
Nachlaßrecht, Rn. 4.163).
Bei den Gerichten hat sich eine besondere
Bescheidungspraxis herausgebildet. Sie erlassen sog. Vorbescheide, in
denen sie die Erteilung eines bestimmten Erbscheines ankündigen, ohne ihn
tatsächlich zu erteilen. Regelmäßig verbinden die Gerichte diesen
Vorbescheid mit dem Hinweis auf ein Rechtsmittel, das fristgebunden
eingelegt werden kann. Die Praxis wird damit gerechtfertigt, dass die
Publizitätswirkung eines einmal erteilten Erbscheines nicht rückwirkend
wegfällt, wenn der Erbschein eingezogen wird (vgl. vgl. BayObLG FamRZ
1991, 111).
Im Einzelfall sind Vorfragen mitzuklären. Es
gehört zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen, ob die
Testamentsvollstreckung vor Erbscheinerteilung weggefallen ist (BayObLG
Rpfleger 1974, 345).
III.
Inhalt des Erbscheines
Der Erbschein muss aus sich heraus verständlich
sein. Der Erbschein muss daher den oder die Erben genau bezeichnen. Der
Umfang des Erbrechts ist exakt anzugeben. Auf den Erblasser zurückgehende
Anordnungen in bezug auf Verfügungsbeschränkungen der Erben müssen
angegeben werden (Palandt/Edenhofer, BGB, § 2353 Rn. 3), soweit sie sich
zum Zeitpunkt der Erbscheinserteilung noch nicht erledigt haben (vgl. §§
2363, 2364 BGB). Folgende Angaben sind zwingend:
Namen und Todestag des Erblassers
Namen und Geburtstag des Erben
Erbquote
Verfügungsbeschränkungen (Testamentsvollstreckung, Nacherbfolge)
Beschränkungsvermerk
Zu den Verfügungsbeschränkungen ist anzumerken,
dass sie deshalb in das Zeugnis aufzunehmen sind, weil nur so verhindert
werden kann, dass der Rechtsverkehr die Verfügungsmacht des Erben
fälschlich annimmt. Immerhin verschaffen die §§ 2365, 2366 BGB dem Inhaber
eines Erbscheins die zu seinen Gunsten wirkende Vermutung der Richtigkeit,
so dass derjenige, der auf die Richtigkeit des Erbscheines vertraut, ggf.
gutgläubig Eigentum vom Scheinerben erwerben kann. Deshalb sind z.B. auch
Angaben zu Beschränkungen durch die Anordnung der Testamentsvollstreckung
wichtig, denn sobald der Testamentsvollstrecker eingesetzt ist, ist ihm
die Verfügung über den Nachlaß vorbehalten (§ 2205 S. 2 BGB), wenn man
einmal davon absieht, dass ein Testamentsvollstrecker auch ohne das
Verwaltungsrecht bestimmt werden kann (vgl. § 2208 I BGB) und man in
diesem Ausnahmefall davon absehen könnte, die Testamentsvollstreckung im
Erbschein zu bezeichnen (vgl. Palandt/Edenhofer, § 2364 Rn. 1; Backs DFG
40, 50). Würde nun der Erbschein ohne den Hinweis auf die angeordnete
Testamentsvollstreckung erteilt, könnte der Erbe den
Testamentsvollstrecker umgehen und den Willen des Erblassers beugen. Dies
zu verhindern, ist Sinn und Zweck der Regelung in § 2364 BGB. Aus
vorstehenden Gründen ist der Testamentsvollstrecker ggf. auch befugt die
Einziehung unrichtiger Erbscheine zu beantragen (vgl. OLG Oldenburg
Rpfleger 1965, 305). Wegen § 2216 BGB ist er ggf. auch gehalten, diese
Befugnisse wahrzunehmen, denn er ist verpflichtet, Kontrollmaßnahmen in
bezug auf den Nachlaß durchzuführen und er muß rechtzeitig drohenden
Gefahren und Verlusten begegnen (vgl. BGH NJW-RR 1995, 577).
Gegebenenfalls kann der Testamentsvollstrecker die Herausgabe des
unrichtigen Erbscheines verlangen (§§ 2364 II, 2362 I BGB).
Zum Beschränkungsvermerk ist anzumerken, dass
dieser erforderlich, wenn aufgrund gesetzlich angeordneter Nachlaßspaltung
ausländisches Immobilienvermögen nach dem Lagerecht vererbt wird. Für
diesen Fall, den das deutsche Internationale Privatrecht anerkennt (vgl.
Art. 3 III EGBGB), muss nach der Rechtsprechung (KG OLGZ 84, 428; BayObLG
NJW-RR 1997, 201) der Erbschein den beschränkte Wirkungsgrad des
Erbscheines durch einen Vermerkt deutlich machen. Im Wortlaut kommt dieser
z.B. zum Ausdruck wie folgt: ”Der Erbschein erstreckt sich nicht auf das
in Frankreich belegene unbewegliche Vermögen”.
IV.
Amtsermittlungsgrundsatz
Das Nachlaßgericht hat unter Benutzung der von
dem Antragsteller angegebenen Beweismittel von Amts wegen die zur
Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die
geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Die Ermittlungspflicht richtet
sich nach dem Einzelfall. Es sind jedoch lediglich die zur Aufklärung des
Sachverhaltes notwendigen Beweise zu erheben. Ermittlungen müssen nicht in
das Blaue hinein angestellt werden und jeder Eventualität nachgehen (Palandt/Edenhofer,
BGB, § 2358 Rn. 1). Es müssen sich jeweils Anhaltspunkte aus den Angaben
der Erben ergeben, um Ermittlungspflichten auslösen. Ggf. ist das
Nachlaßgericht gehalten, folgenden Fragen nachzugehen:
Staatsangehörigkeit des Erblassers
Güterstand des Verheirateten
Testierfähigkeit
Anfechtung des Testaments
Bringt einer der Erben bestimmte Auffälligkeiten
des Erblassers zum Ausdruck, muß das Nachlaßgericht ggf. den behandelnden
Arzt konsultieren. Der Arzt kann sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht
berufen. Die Erben können ihn hiervon grundsätzlich nicht befreien, doch
kann sich aus dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Erblassers
ergeben, dass er den Arzt von seiner Schweigepflicht befreien würde oder
befreit hätte (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, § 2358 Rn. 5).
V.
Kosten
Die Kosten ergeben sich im Nachlaßverfahren aus
den Vorschriften der Kostenordnung. In Nachlaßangelegenheiten kommt es auf
den reinen Nachlaßwert an, d.h. den ermittelten Gesamtwert des Nachlasses
zum Todeszeitpunkt unter Abzug der Verbindlichkeiten, §§ 18, 19, 107 KostO.
VI.
Rechtsmittel
Gegen den Erlaß oder die Verweigerung der
Erbscheinserteilung kann Beschwerde eingelegt werden (§ 19 FGG, § 11 RpflG),
ggf. weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht.
Gegen die Erteilung des Erbscheines ist allerdings
die Beschwerde nur solange statthaft, wie der Erbschein noch nicht erteilt
wurde. Durch die Erteilung wird das Rechtsmittel nicht erledigt, es kann
mit dem Ziel der Einziehung weiterbetrieben werden.
Ein Vorbescheid kann wie die Entscheidung selbst
angefochten werden.
Rechtsmittel haben keinen aufschiebenden Charakter
(keinen Suspensiveffekt).
VII.
Regreß
Ggf. kann ein Dritter bei der Justiz Regreß
nehmen. Haftungsfälle sind u.a.:
1. Verletzung der Pflicht zur Einziehung eines
Erbscheines
Das Nachlaßgericht hat den erteilten Erbschein
einzuziehen, wenn sich ergibt, daß er unrichtig ist (§ 2361 I BGB). Ein
unrichtiger Erbschein widerspricht nämlich seiner Bestimmung: Die ihm
verliehenen Wirkungen (§§ 2365, 2366 f BGB) bringen Gefahren für den
wirklichen Erben mit sich, das ihm darüber hinaus allgemein eingeräumte
Ansehen auch Gefahren für den Rechtsverkehr. Deshalb trägt das Gesetz
dafür Sorge, daß der unrichtige Erbschein "wieder aus der Welt geschafft
wird" (BGHZ 117, 287 ff.). Mit dieser Zielrichtung wird der Schutzbereich
der entsprechenden Pflicht des Nachlaßgerichts zugleich inhaltlich
bestimmt und sachlich begrenzt. Er erschöpft sich nämlich darin, die von
dem Erbschein ausgehenden Gefahren zu beseitigen. Verwirklicht sich die
Gefahr, löst das Fehlverhalten Haftungsansprüche aus.
2. Unsorgfältige Ermittlungen der für die Erbfolge
wesentlichen Tatsachen (vgl. BGH NJW-RR 1991, 515)
VIII.
Weitere Auskünfte
Wir stehen Ihnen gerne für weitere Auskünfte zum
Erbscheinsverfahren zur Verfügung. Die vorstehenden Anmerkungen können in
Streitfällen eine einzelfallbezogene Beratung nicht ersetzen.
Ansprechpartner: Rechtsanwalt Dr. Götz-Sebastian
Hök
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