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Herausgeber: Dr.Hök/Prehm
Euro-Flag 14. Jahrgang Berlin September 2023

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Checkliste für das deutsche grenzüberschreitende Mahnverfahren

 von Rechtsanwalt Dr. Götz-Sebastian Hök, Berlin

* * * 


Das deutsche Mahnverfahren eignet sich hervorragend für die Beitreibung unbestrittener Ansprüche. Es kann national wie grenzüberschreitend betrieben werden (anders als z.B. in Österreich, wo das Mahnverfahren nur national betrieben werden kann (§ 488 II Nr. 3 öst. ZPO).

1. Wann sollte man das grenzüberschreitende Mahnverfahren nicht betreiben?

Hierzu läßt sich keine allgemeingültige Aussage machen. Doch lassen sich einige Fälle hervorheben:

es besteht Eilbedarf und der Vollstreckungsstaat läßt vorläufige Vollstreckungsmaßnahmen auch ohne Vollstreckungstitel zu (z.B. Frankreich und Belgien)

die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat ist nicht sichergestellt (z.B. befindet sich das Vermögen, in das vollstreckt werden soll, nicht am Wohnsitz des Schuldners, sondern in einem Staat, mit dem kein Abkommen besteht)

der Vollstreckungsstaat verfügt über ein eigenes Verfahren zur Titulierung unbestrittener Forderungen mit eindeutiger Kostentragungsregel (Österreich, vgl. §§ 448 ff. öst. ZPO) oder besonders effektiven Beitreibungsmechanismen

2. In welchen Fällen ist das grenzüberschreitende Mahnverfahren möglich?

Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

(1) der Gläubiger hat seinen Sitz oder Wohnsitz im Ausland (der Schuldner befindet sich im Inland)
(2) der Schuldner hat seinen Sitz oder Wohnsitz im Ausland (der Gläubiger befindet sich im Inland
(3) Gläubiger und Schuldner haben ihren Sitz oder Wohnsitz im Ausland

3. Wann sind die deutschen Gerichte für das Mahnverfahren zuständig?

Die deutschen Gerichte sind für das grenzüberschreitende Mahnverfahren zuständig, wenn sie international zuständig sind. Die Internationale Zuständigkeit besteht in der Regel dann, wenn

der Schuldner seinen Wohnsitz im Inland hat (Art. 2 I EuGVVO I; Art. 2 I LuGVÜ), oder
die Parteien einen deutschen Erfüllungsort vereinbart haben (Art. 5 Nr. EuGVVO I, Art. 5 Nr. 1 LuGVÜ), oder
der Erfüllungsort aus anderen Gründen in Deutschland liegt (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ i.V.m. Art. 57 CSIG)
die Parteien einen deutschen Gerichtsstand vertraglich vereinbart haben (Art. 23 EuGVVO I), oder
der Unterhaltsgläubiger seinen Wohnsitz im Inland hat (Art. 5 Nr. 2 EuGVVO I)

4. Welches Gericht ist örtlich zuständig?

Hat der Gläubiger einen inländischen Sitz oder Wohnsitz, dann ist nicht das Amtsgericht an seinem Sitz oder Wohnsitz ausschließlich zuständig (§ 689 II 1 ZPO), sondern das Gericht, das für das streitige Verfahren zuständig wäre (§ 703 d II ZPO)

Hat der Gläubiger keinen inländischen Sitz oder Wohnsitz, dann ist das Amtsgericht Schöneberg (in Berlin) zuständig (§ 689 II 2 ZPO)

Haben Gläubiger und Schuldner keinen Sitz oder Wohnsitz in Deutschland, ist wiederum das Gericht zuständig, das für das Hauptsacheverfahren zuständig wäre.

Landesrechtliche Zuständigkeitskonzentrationen sind ggf. zu beachten.

5. Ist der Anspruch für das Mahnverfahren geeignet?

a. Im Mahnverfahren können alle Ansprüche verfolgt werden, die vor den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit verfolgt werden können. Nicht geltend gemacht können Ansprüche, die im Verwaltungsrechtsverfahren verfolgt werden müßten. 

b. Hierin liegt jedoch weniger die Problematik der Anspruchseignung im grenzüberschreitenden Mahnverfahren. Jedenfalls dann, wenn die Vollstreckung nicht im Inland, sondern im Ausland betrieben werden muß, also wenn sich entweder der Schuldner oder sein Vermögen im Ausland befindet, ist zu prüfen, ob der im deutschen Mahnverfahren zu erlangende Vollstreckungsbescheid im Ausland vollstreckungsvorbereitend für vollstreckbar erklärt werden kann. Dies ist im grenzüberschreitenden Mahnverfahren generell gewährleistet, denn es kann nur in den Staaten betrieben werden, mit denen bereits ein Vollstreckungsübereinkommen besteht oder die Mitglied der Europäischen Union sind.

c. Der sachliche Anwendungsbereich dieser völkervertraglichen oder europarechtlichen Regelungen ist jedoch in der Regel auf Zivil- und Handelssachen beschränkt. Bestimmte Bereiche, wie das Erbrecht, sind gänzlich ausgenommen. Ansprüche, die sich unmittelbar auf das Erbrecht stützten, sind mithin von der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung grundsätzlich ausgenommen. Derartige Ansprüche können mithin nicht nachhaltig im Inland tituliert werden.

6. Ist das Zielland (der Zustellungsstaat) für das Mahnverfahren geeignet?

Zielland für das grenzüberschreitende Mahnverfahren können nur folgende Staaten sein (vgl. § 699 II ZPO):

Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Israel, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz, Schweden, Spanien.

7. Wann muß man die Zustellung des Vollstreckungsbescheides beantragen?

Die grenzüberschreitende Zustellung wird zwar zwischenzeitlich durch die Europäische Zustellungs-Verordnung erleichtert. Doch kann es vorkommen, daß die Rücklaufzeiten für den Zustellungsnachweis bei der Auslandszustellung sehr lange dauern. Deshalb kann es erforderlich sein, den Antrag auf Erlaß des Vollstreckungsbescheides bereits zu stellen, bevor der Zustellungsnachweis zurückgekommen ist. Anderenfalls kann der Mahnbescheid seine Wirkung verlieren (§ 701 S. 1 ZPO). Wird der Antrag allerdings vor Zustellung gestellt, ist er unwirksam (§ 699 I ZPO).

8. Wer trägt die Kosten des Mahnverfahrens

Die Kosten des Mahnverfahrens hat der Schuldner zu tragen. Die Kosten ausländischer Vollstreckungsmaßnahmen trägt der Schuldner dann, wenn dies der ausländische Vollstreckungsstaat vorsieht. Gelegentlich wird vertreten, daß solche Maßnahmen im Inland nach § 788 ZPO gegen den ausländischen Schuldner festgesetzt werden können. Doch stößt diese Auffassung auf erhebliche Bedenken.

9. Welche Unterlagen sind beizubringen?

Hat der Schuldner keinen Sitz oder Wohnsitz im Inland, muß die Zuständigkeit der deutschen Gerichte belegt werden. In solchen Fällen müssen ggf. vorgelegt werden (vgl. § 32 II AVAG):

Gerichtsstandsvereinbarung
Vereinbarung über den Erfüllungsort

Unnötig ist dies dann, wenn sich die inländische Zuständigkeit, wie in Unterhaltssachen, bereits unmittelbar aus gesetzlichen Vorschriften ergibt (vgl. Art. 5 Nr. 2 EuGVVO I).

10. Welche Widerspruchsfristen gelten im grenzüberschreitenden Mahnverfahren?

Muß der Mahnbescheid im Ausland zugestellt werden, beträgt die Widerspruchsfrist des Schuldners einen Monat (§ 32 II AVAG).

11. Glossar
 

ZPO Deutsche Zivilprozeßordnung
öst. ZPO Österreichische Zivilprozeßordnung
AVAG  Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz
EuGVVO I Verordnung EG/44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
EuGVÜ Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (anwendbar nur noch im Verhältnis zu Dänemark)
LuGVÜ Luganer Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (anwendbar vor allem im Verhältnis zur Schweiz und Polen)
CSIG  Wiener UN-Übereinkommen über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980

 12. Weitere Informationen

Eingehende Informationen zum grenzüberschreitenden Mahnverfahren finden sich im folgenden Handbuch:

Müller/Hök/Schulze, Deutsche Vollstreckungstitel im Ausland, Einleitung, 9. Das grenzüberschreitende Mahnverfahren (erschienen bei Luchterhand Verlag, Neuwied), neubearbeitet 2002

bzw. in den einschlägigen Kommentaren zur Zivilprozeßordnung

Berichte zur Forderungsbeitreibung in verschiedenen Staaten finden sich auf den Seiten der Eurojuris Arbeitsgruppe

 

Aktualisiert:Oktober 2002

 


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