Checkliste für das
deutsche grenzüberschreitende Mahnverfahren
von Rechtsanwalt
Dr.
Götz-Sebastian Hök, Berlin
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Das deutsche Mahnverfahren eignet sich hervorragend für
die Beitreibung unbestrittener Ansprüche. Es kann national wie
grenzüberschreitend betrieben werden (anders als z.B. in Österreich, wo das
Mahnverfahren nur national betrieben werden kann (§ 488 II Nr. 3 öst. ZPO).
1. Wann sollte man das
grenzüberschreitende Mahnverfahren nicht betreiben?
Hierzu läßt sich keine
allgemeingültige Aussage machen. Doch lassen sich einige Fälle hervorheben:
es besteht Eilbedarf und der
Vollstreckungsstaat läßt vorläufige Vollstreckungsmaßnahmen auch ohne
Vollstreckungstitel zu (z.B. Frankreich und Belgien)
die Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat ist nicht sichergestellt (z.B.
befindet sich das Vermögen, in das vollstreckt werden soll, nicht am Wohnsitz
des Schuldners, sondern in einem Staat, mit dem kein Abkommen besteht)
der Vollstreckungsstaat verfügt
über ein eigenes Verfahren zur Titulierung unbestrittener Forderungen mit
eindeutiger Kostentragungsregel (Österreich, vgl. §§ 448 ff. öst. ZPO) oder
besonders effektiven Beitreibungsmechanismen
2. In welchen Fällen ist das
grenzüberschreitende Mahnverfahren möglich?
Folgende Fälle sind zu
unterscheiden:
(1) der Gläubiger hat seinen
Sitz oder Wohnsitz im Ausland (der Schuldner befindet sich im Inland)
(2) der Schuldner hat seinen Sitz oder Wohnsitz im
Ausland (der Gläubiger befindet sich im Inland
(3) Gläubiger und Schuldner haben ihren Sitz oder
Wohnsitz im Ausland
3. Wann sind die deutschen
Gerichte für das Mahnverfahren zuständig?
Die deutschen Gerichte sind für
das grenzüberschreitende Mahnverfahren zuständig, wenn sie international
zuständig sind. Die Internationale Zuständigkeit besteht in der Regel dann,
wenn
der Schuldner seinen Wohnsitz im
Inland hat (Art. 2 I EuGVVO I; Art. 2 I LuGVÜ), oder
die Parteien einen deutschen Erfüllungsort vereinbart
haben (Art. 5 Nr. EuGVVO I, Art. 5 Nr. 1 LuGVÜ), oder
der Erfüllungsort aus anderen Gründen in Deutschland
liegt (Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ i.V.m. Art. 57 CSIG)
die Parteien einen deutschen Gerichtsstand vertraglich
vereinbart haben (Art. 23 EuGVVO I), oder
der Unterhaltsgläubiger seinen Wohnsitz im Inland hat
(Art. 5 Nr. 2 EuGVVO I)
4. Welches Gericht ist
örtlich zuständig?
Hat der Gläubiger einen
inländischen Sitz oder Wohnsitz, dann ist nicht das Amtsgericht an seinem Sitz
oder Wohnsitz ausschließlich zuständig (§ 689 II 1 ZPO), sondern das Gericht,
das für das streitige Verfahren zuständig wäre (§ 703 d II ZPO)
Hat der Gläubiger keinen
inländischen Sitz oder Wohnsitz, dann ist das Amtsgericht Schöneberg (in
Berlin) zuständig (§ 689 II 2 ZPO)
Haben Gläubiger und Schuldner
keinen Sitz oder Wohnsitz in Deutschland, ist wiederum das Gericht zuständig,
das für das Hauptsacheverfahren zuständig wäre.
Landesrechtliche
Zuständigkeitskonzentrationen sind ggf. zu beachten.
5. Ist der Anspruch für das
Mahnverfahren geeignet?
a. Im Mahnverfahren können alle
Ansprüche verfolgt werden, die vor den Gerichten der ordentlichen
Gerichtsbarkeit verfolgt werden können. Nicht geltend gemacht können
Ansprüche, die im Verwaltungsrechtsverfahren verfolgt werden müßten.
b. Hierin liegt jedoch weniger
die Problematik der Anspruchseignung im grenzüberschreitenden Mahnverfahren.
Jedenfalls dann, wenn die Vollstreckung nicht im Inland, sondern im Ausland
betrieben werden muß, also wenn sich entweder der Schuldner oder sein Vermögen
im Ausland befindet, ist zu prüfen, ob der im deutschen Mahnverfahren zu
erlangende Vollstreckungsbescheid im Ausland vollstreckungsvorbereitend für
vollstreckbar erklärt werden kann. Dies ist im grenzüberschreitenden
Mahnverfahren generell gewährleistet, denn es kann nur in den Staaten
betrieben werden, mit denen bereits ein Vollstreckungsübereinkommen besteht
oder die Mitglied der Europäischen Union sind.
c. Der sachliche
Anwendungsbereich dieser völkervertraglichen oder europarechtlichen Regelungen
ist jedoch in der Regel auf Zivil- und Handelssachen beschränkt. Bestimmte
Bereiche, wie das Erbrecht, sind gänzlich ausgenommen. Ansprüche, die sich
unmittelbar auf das Erbrecht stützten, sind mithin von der Anerkennung und
Vollstreckbarerklärung grundsätzlich ausgenommen. Derartige Ansprüche können
mithin nicht nachhaltig im Inland tituliert werden.
6. Ist das Zielland (der
Zustellungsstaat) für das Mahnverfahren geeignet?
Zielland für das
grenzüberschreitende Mahnverfahren können nur folgende Staaten sein (vgl. §
699 II ZPO):
Belgien, Dänemark, Finnland,
Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Israel, Island, Italien,
Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Schweiz,
Schweden, Spanien.
7. Wann muß man die
Zustellung des Vollstreckungsbescheides beantragen?
Die grenzüberschreitende
Zustellung wird zwar zwischenzeitlich durch die Europäische
Zustellungs-Verordnung erleichtert. Doch kann es vorkommen, daß die
Rücklaufzeiten für den Zustellungsnachweis bei der Auslandszustellung sehr
lange dauern. Deshalb kann es erforderlich sein, den Antrag auf Erlaß des
Vollstreckungsbescheides bereits zu stellen, bevor der Zustellungsnachweis
zurückgekommen ist. Anderenfalls kann der Mahnbescheid seine Wirkung verlieren
(§ 701 S. 1 ZPO). Wird der Antrag allerdings vor Zustellung gestellt, ist er
unwirksam (§ 699 I ZPO).
8. Wer trägt die Kosten des
Mahnverfahrens
Die Kosten des Mahnverfahrens
hat der Schuldner zu tragen. Die Kosten ausländischer Vollstreckungsmaßnahmen
trägt der Schuldner dann, wenn dies der ausländische Vollstreckungsstaat
vorsieht. Gelegentlich wird vertreten, daß solche Maßnahmen im Inland nach §
788 ZPO gegen den ausländischen Schuldner festgesetzt werden können. Doch
stößt diese Auffassung auf erhebliche Bedenken.
9. Welche Unterlagen sind
beizubringen?
Hat der Schuldner keinen Sitz
oder Wohnsitz im Inland, muß die Zuständigkeit der deutschen Gerichte belegt
werden. In solchen Fällen müssen ggf. vorgelegt werden (vgl. § 32 II AVAG):
Gerichtsstandsvereinbarung
Vereinbarung über den Erfüllungsort
Unnötig ist dies dann, wenn sich
die inländische Zuständigkeit, wie in Unterhaltssachen, bereits unmittelbar
aus gesetzlichen Vorschriften ergibt (vgl. Art. 5 Nr. 2 EuGVVO I).
10. Welche
Widerspruchsfristen gelten im grenzüberschreitenden Mahnverfahren?
Muß der Mahnbescheid im Ausland
zugestellt werden, beträgt die Widerspruchsfrist des Schuldners einen Monat (§
32 II AVAG).
11. Glossar
ZPO |
Deutsche Zivilprozeßordnung |
öst. ZPO |
Österreichische
Zivilprozeßordnung |
AVAG |
Anerkennungs- und
Vollstreckungsausführungsgesetz |
EuGVVO I |
Verordnung
EG/44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche
Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in
Zivil- und Handelssachen |
EuGVÜ |
Europäisches Gerichtsstands- und
Vollstreckungsübereinkommen (anwendbar nur noch im Verhältnis zu Dänemark) |
LuGVÜ |
Luganer Gerichtsstands- und
Vollstreckungsübereinkommen (anwendbar vor allem im Verhältnis zur Schweiz
und Polen) |
CSIG |
Wiener UN-Übereinkommen über
Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.04.1980 |
12. Weitere Informationen
Eingehende Informationen zum
grenzüberschreitenden Mahnverfahren finden sich im folgenden Handbuch:
Müller/Hök/Schulze,
Deutsche Vollstreckungstitel
im Ausland, Einleitung, 9. Das grenzüberschreitende Mahnverfahren
(erschienen bei Luchterhand Verlag, Neuwied), neubearbeitet 2002
bzw. in den einschlägigen
Kommentaren zur Zivilprozeßordnung
Berichte zur
Forderungsbeitreibung in verschiedenen Staaten finden sich auf den Seiten der
Eurojuris Arbeitsgruppe
Aktualisiert:Oktober 2002
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