Aus der Residenz des Rechts
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Mitgeteilt von Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof Dr.
Dr. Gross
Leitsätze zur Veröffentlichung
vorgesehener und noch unveröffentlichter BGH-Entscheidungen, zusammengestellt
von unserem EUROJURIS-Ehrenmitglied
Dr. Dr. Norbert Gross, Rechtsanwalt am Bundesgerichtshof, Karlsruhe
1. BGH-Urt vom 28.01.1999 – I ZR
178/96 – Altberliner
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Für die Annahme der
Unterscheidungskraft einer Unternehmensbezeichnung von Hause aus reicht
schon, daß ein bestimmter beschreibender Inhalt der Bezeichnung nicht
festzustellen ist; eine besondere Originalität, etwa durch eigenartige
Wortbildung oder eine sonstige Heraushebung aus der Umgangssprache ist
hierfür nicht Voraussetzung.
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Zur Frage der tatsächlichen
Voraussetzungen für ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis an dem Bestandteil
einer Unternehmensbezeichnung.
2. BGH-Urteil 11.01.1999 – II ZR
170/98 – zu BGB § 158; GmbHG § 55
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Aus dem mit einer GmbH geschlossenen
Vertrag zur Übernahme einer Stammeinlage auf erhöhtes Kapital besteht kein
Erfüllungsanspruch des Übernehmers auf Verschaffung der Mitgliedschaft.
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Das Verstreichen eines in der
Übernahmeerklärung (§ 55 Abs. 1 GmbHG) bestimmten Termins für die Eintragung
der Kapitalerhöhung im Handelsregister führt entspr. § 158 Abs. 2 BGB zur
Beendigung auch des Übernahmevertrages.
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Hat die GmbH das Scheitern einer
Kapitalerhöhung zu vertreten, steht dem Übernehmer kein auf das positive
Interesse gerichteter Schadenersatzanspruch wegen Nichterfüllung des
Übernahmevertrages zu.
3. BGH-Urteil vom 08.02.1999 – II
ZR 261/97- ZPO §§ 139, 156, 278 Abs. 3
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Weist das Berufungsgericht eine
Partei erstmals und für diese überraschend in der (letzten) mündlichen
Verhandlung auf aus seiner Sicht fehlendes Vorbringen hin, so kann es von
ihr jedenfalls zu geraume Zeit zurückliegenden Vergängen keinen sofortigen
detaillierten Sachvortrag und Beweisantritt verlangen.
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Erfolgt die Stellungnahme der
darlegungsbelasteten Partei zu einem solchen späten Hinweis erst in einem
nicht nachgelassenen Schriftsatz und ergibt sich daraus auch die
Unzulänglichkeit der bisherigen Ausübung der Hinweispflicht durch das
Gericht, so ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156
ZPO geboten.
4. BGH-Urteil vom 01.03.1999 – II
ZR 205/98 – BGB § 242 Cc, GmbHG §§ 38 Abs. 1, 46 Nr. 5
Die Klage auf Feststellung, daß der
Beklagte nicht mehr Geschäftsführer der klagenden GmbH ist, weil er durch
einen Gesellschafterbeschluß abberufen worden ist, unterliegt im Gegensatz zur
Anfechtungsklage keiner zeitlichen Beschränkung. Die Geltendmachung des Rechts
aus dem Rechtsverhältnis, der Gegenstand der Feststellungsklage ist,
unterliegt lediglich der Verwirkung.
5. BGH-Urteil vom 11.03.1999 – III
ZR 292/97 – zu BGB §§ 195, 676
Schadenersatzansprüche aus der
Schlechterfüllung eines selbständigen unentgeltlichen Auskunfts- oder
Beratungsvertrags verjähren gemäß § 195 BGB in 30 Jahren.
6. BGH-Urteil vom 18.03.1999 – III
ZR 93/98 – BGB §§ 138 Cf, 652
Zur Frage, ob ein Maklervertrag,
betreffend die Vermittlung von Aufträgen an einen Architekten, sittenwidrig
ist.
7. BGH-Beschluß vom 25.03.1999 –
III ZR 27/98 – BGB §§ 613 a, 426
Der Senat hält an der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs fest, wonach beim Betriebsübergang der bisherige
Arbeitgeber dem neuen Arbeitgeber anteiligen Ausgleich in Geld für die vor dem
Betriebsübergang entstandenen Ansprüche der Arbeitnehmer auf Urlaub schuldet,
die der neue Arbeitgeber erfüllt hat (Bestätigung vom BGH, Urteil vom
04.07.1985 – IX ZR 172/84 – NJW 1985, 2643)
8. BGH-Urteil vom 05.02.1999 – V ZR
353/97 – BGB §§ 125, 133 B
Die Vermutung der Vollständigkeit und
Richtigkeit der über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunde wirkt sich bei
der Auslegung des Vereinbarten dahin aus, daß die Parteit, die ein ihr
günstiges Auslegungsergebnis auf Umstände außerhalb der Urkunde stützt, diese
zu beweisen hat (im Anschluß an BGHZ 20, 109).
9. BGH-Urteil vom 26.02.1999 – V ZR
318/97 – BGB § 154
Haben die Vertragsparteien sich nur
darüber geeinigt, daß der Kaufpreis in bestimmter Höhe durch Verrechnung
erbracht werden soll, nicht auch darüber, welche der in Betracht kommenden
bestrittenen Gegenforderungen zur Tilgung verwandt werden sollen, ist der
Vertrag im Zweifel nicht geschlossen.
10. BGH-Urteil vom 26.01.1999 – VI
ZR 374/97 – BGB § 249 B
Zur Einstandspflicht des Schädigers
für einen Schaden, wenn der Schädigungsbeitrag, für den er verantwortlich ist,
nur ein Faktor in einem "Ursachenbündel" ist, das den Gesamtschaden
herbeigeführt hat.
11. BGH-Urteil vom 02.02.1999 – VI
ZR 392/97 – BGB § 823 Ac, J; ZPO § 282 (Beweislast)
Wird bei bestimmungsgemäßer Verwendung
eines Erzeugnisses (hier: Torfsubstrat) eine Sache dadurch beschädigt, daß das
Produkt fehlerhaft hergestellt war, so muß der Hersteller beweisen, daß ihm
hinsichtlich des Mangels keine objektive Pflichtwidrigkeit oder kein
Verschulden zur Last fällt.
12. BGH-Urteil vom 02.02.1999 – VI
ZR 25/98 – ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 511, Vorsicht: Haftungsträchtig
Hat der Kläger ein angemessenes
Schmerzensgeld unter Angabe einer Betragsvorstellung verlangt und hat das
Gericht ihm ein Schmerzensgeld in eben dieser Höhe zuerkannt, so ist er durch
das Urteil nicht beschwert und kann es nicht mit dem alleinigen Ziel eines
höheren Schmerzensgeldes anfechten (im Anschluß an BGHZ 132, 341, 350 ff).
Will sich der Kläger die Möglichkeit
eines Rechtsmittels offen halten, so muß er den Betrag nennen, der er auf
jeden Fall zugesprochen haben will und bei dessen Unterschreitung er sich als
nicht befriedigt ansehen würde.
13. BGH-Urteil vom 09.02.1999 – VI
ZR 9/98 – BGB § 826 Gi
Zu den Voraussetzungen eines auf § 826
BGB gegründeten Anspruchs auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus einem
Vollstreckungsbescheid.
14. BGH-Urteil vom 23.02.199 – VI
ZR 76/98 – BGB § 823 Aa, ZPO § 286 B
Zu den Voraussetzungen, unter denen
der Tatrichter ein Sachverständigengutachten zum Hergang eines
Verkehrsunfalles einholen muß.
15. BGH-Urteil vom 02.03.1999 – VI
ZR 175/98 – Schnullerfall BGB § 823 C, Dc, M
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Hersteller und Vertreiber von
Flaschen mit Schnullern für Kleinkinder, die den Getränkestrahl auf
besonders gefährdete Zahnstellen des Kindes lenken, haben die Flaschen mit
einem deutlichen Hinweis auf die beim Dauernuckeln kariogener Getränke
drohenden Zahnschäden zu versehen.
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Ob beim Fehlen eines derartigen
Warnhinweises eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, daß ein
ausreichender Hinweis beachtet worden wäre, ist aufgrund einer
Gesamtbetrachtung aller unstreitigen, festgestellten und vom klagenden Kind
selbst vorgetragenen Umstände des konkreten Falles zu beurteilen.
16. BGH-Urteil vom 16.03.1999 – VI
ZR 34/98 – BGB § 276 Ca – "Gespenstersehen"
Zur Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast, wenn einem Arzt die Verletzung berufsspezifischer
Sorgfaltspflichten vorgeworfen wird, weil er es versäumt hat, unverzüglich ein
Computertomogramm anfertigen zu lassen, nachdem ein Patient nach einer
Hydrozephalus-Operation über "Gespenstersehen" klagte.
17. BGH-Urteil vom 21.01.1999 – VII
ZR 269/97 – ZPO § 139 Abs. 1, § 278 Abs. 3
Erkennt ein Gericht, daß die Partei
einen Hinweis falsch aufgenommen hat, so muß es den Hinweis präzisieren und
der Partei Gelegenheit geben, dazu Stellung zu nehmen.
18. BGH-Urteil vom 25.02.1999 – VII
ZR 408/97 – EGBGB 1986 Art. 28 Abs. 2, 5
Die Regelvermutung des Art. 28 Abs. 2
EGBGB gilt auch für internationale Bauverträge. Die Baustelle ist für sich
genommen kein hinreichender Umstand, der abweichend von der Vermutung des Art.
28 Abs. 2 EGBGB eine engere Verbindung im Sinne des Art. 28 Abs. 5 EGBGB
begründen könnte.
19. BGH-Urteil vom 11.02.1999 – VII
ZR 91/98 – BGB § 645 Abs. 1, § 649 Satz 2
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Der sich aus § 645 Abs. 1 BGB
ergebende Anspruch auf Vergütung der geleisteten Arbeit ist nach den
Grundsätzen zu berechnen, die die Rechtsprechung für den Anspruch auf
Vergütung der erbrachten Leistungen nach einem gekündigten Werkvertrag
entwickelt hat.
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Die Abgrenzung zwischen erbrachten
und nicht erbrachten Leistungen eines Pauschalvertrages muß nicht zwingend
durch ein Aufmaß erfolgen. Sie kann sich aus den Umständen der
Vertragsabwicklung ergeben.
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Die nachträgliche Bewertung der
erbrachten Leistung muß den Besteller in die Lage versetzen, sich
sachgerecht zu verteidigen. Eine ausreichend aufgegliederte, gewerkebezogene
Kalkulation kann im Einzelfall genügen.
20. BGH-Urteil vom 03.02.1999 –
VIII ZR 14/98 – ZPO § 138
Zur Frage, unter welchen
Voraussetzungen die nicht darlegungs- und beweisbelastete Prozeßpartei
Tatsachenbehauptungen der Gegenpartei substantiiert bestreiten muß.
21. BGH-Urteil vom 10.02.1999 –
VIII ZR 70/98 – BGB §§ 305, 250 S. 2
Zu den Voraussetzungen und Folgen
eines selbständigen Garantieversprechens.
22. BGH-Urteil vom 17.03.1999 –
VIII ZR 2/98 – BGB §§ 273, 433
Zum Zurückbehaltungsrecht des Käufers
einer mangelhaften Sache wegen der Belastung mit einer Schadenersatzforderung
seines eigenen Abnehmers.
23. BGH-Urteil vom 11.02.1999 – IX
ZR 14/98 – BGB § 675
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Ein Rechtsanwalt handelt fahrlässig,
wenn er eine Kündigungsschutzklage nur gegen eine zweite Kündigung erhebt,
obwohl er Anhaltspunkte dafür hat, daß dem Mandanten möglicherweise
zuvor schon einmal gekündigt worden ist.
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Verletzt der Mandant schuldhaft
seine Informationspflicht und wird das Informationsverschulden mit
ursächlich für den letztlich durch eine anwaltliche Fehlleistung
eingetretenen Schaden, kann der Schadenersatzanspruch durch Mitverschulden
gemindert sein.
24. BGH-Beschluß vom 24.02.1999 –
IX ZB 2/98 – EuGVÜ Art. 27 Nr. 1; GG Art. 2 Abs. 1; BGB § 765
Hat ein zuständiges ausländisches
Gericht auf der Grundlage des anwendbaren ausländischen Rechts einen Bürgen
zur Zahlung verurteilt, kann vor einer Vollstreckbarerklärung in Deutschland
in Hinblick auf das Grundrecht des Bürgen auf Selbstgestaltung seiner
Rechtsverhältnisse regelmäßig nur geprüft werden, ob der Schuldner wegen
besonders krasser struktureller Unterlegenheit durch die Vollstreckbarkeit
zweifelsfrei zum wehrlosen Objekt der Fremdbestimmung gemacht und hierdurch
auf unabsehbare Zeit auf das wirtschaftliche Existenzminimum der
Pfändungsfreigrenzen verwiesen würde.
25. BGH-Urteil vom 25.02.1999 – IX
ZR 384/97 – BRAO § 46 ABs. 2 Nr. 1; GG Art. 12 ABs. 1
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Das Tätigkeitsverbot für den
Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit aufgrund eines ständigen
Dienstverhältnisses bereits rechtsbesorgend tätig geworden ist, verstößt
nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG.
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Ein Verstoß gegen § 46 Abs. 2 Nr.
BRAO führt zur Nichtigkeit des Anwaltsvertrages.
26. BGH-Urteil vom 19.01.1999 – X
ZR 60/97 – BGB § 530
Auf eheliche oder ehebedingte
Verfehlungen können groben Undank des von den Eltern des anderen Ehegatten
beschenkten Ehegatten zum Ausdruck bringen. Zur Annahme, der Beschenkte habe
es in grober Weise an der Rücksichtnahme fehlen lassen, die der Schenker habe
erwarten können, bedarf es jedoch besonderer Umstände, die gerade hierauf
hindeuten.
27. BGH-Urteil vom 26.01.1999 – XI
ZR 93/98 – BörsG §§ 55, 59
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§ 59 BörsG ist auch auf
Schuldanerkenntnisse termingeschäftsfähiger Personen anzuwenden.
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Für den Rückforderungsausschluß nach
§ 55 BörsG spielt es keine Rolle, ob der Kunde nach Abschluß des
unverbindlichen Termingeschäfts termingeschäftsfähig geworden ist.
28. BGH-Urteil vom 02.02.1999 – XI
ZR 381/97 – BGB §§ 826 (D), 830
Zur Mittäterschaft einer
Vermittlungs-GmbH und Ihrer Geschäftsführer bei der vorsätzlich sittenwidrigen
Schädigung von Anlegern bei Warenterminoptionsgeschäften.
29. BGH-Urteil vom 02.02.1999 – XI
ZR 74/98 – HtürGG § 3; BGB §§ 819, 818 Abs. 3
Der Empfänger eines Darlehens ist bei
wirksamem Widerruf zur Rückgewähr der vollen Darlehensvaluta verpflichtet; die
Berufung auf § 818 Abs. 3 BGB scheitert an dem hier entsprechend anwendbaren §
819 BGB.
30. BGH-Urteil vom 23.02.1999 –XI
ZR 49/98 – BGB § 366 Abs. 1
In der Zwangsvollstreckung steht dem
Schuldner ein Tilgungsbestimmungsrecht nach § 366 Abs. 1 BGB nicht zu.
31. BGH-Urteil vom 27.01.1999 – XII
ZRj 113/97 – BGB §§ 202 Abs. 1, 208, 211 ABs. 2
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Zu den Voraussetzungen einer
Verjährungshemmung durch ein sog. Stillhalteabkommen.
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Die Erteilung einer Auskunft im
Zugewinnausgleichsverfahren stellt hinsichtlich des Leistungsanspruches
grundsätzlich kein verjährungsunterbrechendes Anerkenntnis im Sinne von §
208 BGB dar (Abgrenzung zu BGH-Urteil vom 10.06.1985 – IVa ZR 114/83 – FamRZ,
1985, 1021, 1022).
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Betreiben die Parteien das
Zugewinnausgleichsverfahren nicht weiter, so kommt es in der Regel zu einer
Beendigung der Verjährungsunterbrechung nach § 211 Abs. 2 Satz 1 BGB auch
dann, wenn der Grund für das Nichtbetreiben außergerichtliche Verhandlungen
der Parteien über Höhe und Ausgleich des Zugewinns sind.
32. BGH-Beschluß vom 10.03.1999 –
XII ZR 3212/97 – ZPO § 592; BGB § 535 Satz 2
Mietzinsforderungen können im
Urkundenprozeß geltend gemacht werden.
33. BGH-Urteil vom 02.02.1999 KZR
51/97 – GWB § 34 F; 24.09.1980; BGB § 126
Abs. 1 Coverdisk
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Bei Verträgen, die vor dem
01.01.1999 geschlossen sind, führt allein der Wegfall des
Schriftformerfordernisses des § 34 GWB a. F. nicht zur nachträglichen
Wirksamkeit.
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Die Schriftform des § 34 GWB a. F.
ist nicht gewahrt, wenn im Rahmen eines Schriftwechsels eine Vertragspartei
ein Angebot lediglich in modifizierter Form annimmt und die Gegenseite den
hierin liegenden neuen Antrag nur mündlich oder konkludent annimmt.
34. BGH-Urteil vom 09.03.1999 – KZR
23/97 – GWB § 34 F.: 20.02.1990; BGB § 125
Die Formrichtigkeit eines vor dem
01.01.1999 abgeschlossenen, Wettbewerbsbeschränkungen enthaltenden Vertrages
kann nicht deswegen bejaht werden, weil die Beteiligten zwei verschiedene
Urkunden mit zum Teil unterschiedlichem Inhalt unter demselben Datum
formgerecht errichtet haben, die Kartellbehörde aber nicht allein aus den
Urkunden feststellen kann, welche der beiden Verträge gelten soll.
Die Entscheidungen können unter Angabe
des Aktenzeichens bei der Geschäftsstelle des Bundesgerichtshofs oder dem
Verfasser im vollständigen Urteilsabdruck angefordert werden (Fax: 0721-24501)
Aus der Residenz des Rechts
Leitsätze zur Veröffentlichung vorgesehener und noch unveröffentlichter
BGH-Entscheidungen, zusammengestellt von unserem EUROJURIS-Ehrenmitglied
Dr. Dr. Norbert Gross, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe
1. BGH-Urt vom 06.05.1999 – I ZR 199/96-Tele-Info-CD
a) Telefonbüchern kommt ungeachtet des komplexen Regelwerkes, das ihrer
Erstellung zu-grunde liegt, im allgemeinen kein urheberrechtlicher Schutz nach
§ 2 UrhG zu.
b) Ein Telefonbuch ist eine Datenbank i. S. des § 87 a Abs. 1 UrhG.
c) Telefonbücher sind keine amtlichen Werke i. S. des § 5 Abs. 2 UrhG.
d) Das Inverkehrbringen von elektronischen Telefonnehmerverzeichnissen auf
CD-ROM stellt eine wettbewerbswidrige Leistungsübernahme dar, wenn die dort
gespeicherten Daten unmittelbar aus den „amtlichen“ Telefonbüchern übernommen
worden sind.
2. BGH-Urt vom 25.02.1999 – I ZR 4/97 – Herabgesetzte Schlußverkaufspreise
Kündigt ein Handelsunternehmen durch Hinweisschilder an, daß auf die
reduzierten Preise, mit denen die Waren ausgezeichnet sind, an der Kasse ein
nochmaliger prozentualer Nachlaß gewährt werde, ist der darin liegende Verstoß
gegen § 1 UWG mit § 1 PangV regelmäßig geeignet, den Wettbewerb auf dem
maßgeblichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen (§ 13 Abs. 3 Nr. 2 UWG).
3. BGH-Urt vom 04.02.1999 – I ZR 71/97 – Werbebeilage
a) Wird in einer Beilage zu Tageszeitungen für EDV-Artikel geworben, kann eine
relevante Irreführung gegeben sein, wenn beworbene EDV-Geräte eine Woche nach
Erscheinen der Werbung nicht mehr vorrätig sind.
b) Die Werbung für ein Gerät der Unterhaltungselektronik ist irreführend, wenn
dieses in der angekündigten Ausstattung nicht zum Verkauf bereitsteht, weil
ein bestimmtes Zubehör technisch noch nicht fertiggestellt ist.
4. BGH-Urt vom 19.04.1999 – II ZR 331/97 -§ 138 Abs. 1 ZPO
Zur Frage, wann ein prozeßordnungsgemäßer Sachvortrag vorliegt.
5. BGH-Urt vom 19.04.1999 – II ZR 16/98 – GmbHG §§ 30, 31, 32 a, 32 b
Zur Tilgung eines eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens im
Zusammenhang mit der Aufnahme eines privaten Zwecken des Gesellschafters
dienenden weiteren Kredits durch diesen und die Gesellschaft als
Mitdarlehensnehmer.
6. BGH-Urt vom 03.05.1999 – II ZR 32/98 – BGB § 739
Zur Abschichtungsbilanz und Bedeutung des negativen Kapitalkontos bei der
Fehlbetrags-haftung gemäß § 739 BGB.
7. BGH-Urt vom 03.05.1999 – II ZR 119/98 – BGB § 209; GmbHG §§ 43 Abs. 4, 46
Nr. 8; AktG §§ 243 ff
a) Die verjährungsunterbrechende Wirkung der Erhebung einer Schadenersatzklage
gegen den früheren Geschäftsführer einer GmbH tritt auch dann ein, wenn der
für die Begründe-theit des Klagebegehrens erforderliche Beschluß der
Gesellschaftervertretung noch nicht gefaßt ist.
b) Ein förmlich festgestellter, an Mängeln leidender, aber nicht nichtiger
Gesellschafterbe-schluß nach § 46 Nr. 8 GmbHG ist nicht nur vorläufig, sondern
wird endgültig verbindlich, wenn er nicht entsprechend den aktienrechtlichen
Vorschriften angefochten wird.
8. BGH-Urt vom 17.05.1999 – II ZR 139/98 – BGB § 730
Zu den Anforderungen an den Sachvortrag der an sich nicht
darlegungspflichtigen Partei, wenn sich im Rahmen der gesellschaftsrechtlichen
Auseinandersetzung ergibt, daß „Schwar-zumsätze“ durch diese Partei naheliegen.
9. BGH-Urt vom 21.06.1999 – II ZR 47/98 – BGB § 823 (B) BGB; StGB § 266; GmbHG
§§ 46 Nr. 8, 31 Abs. 3, 43 Abs. 2, 3
a) Ein Gesellschafterbeschluß, Ersatzansprüche gegen den (ehemaligen)
Geschäftsführer einer GmbH geltend zu machen ( § 46 Nr. 8 GmbHG), kann formlos
durch entsprechende Absprache bei einem Zusammentreffen der Gesellschafter
gefaßt werden.
b) Die alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH schulden
dieser grund-sätzlich keinen Schadenersatz aus § 43 Abs. 2 GmbHG oder aus §
823 Abs. 2 BGB i. V. mit § 266 StGB, wenn sie ihr einvernehmlich handelnd
Vermögen entziehen, das zur Deckung des Stammkapitals nicht benötigt wird
(Fortführung von BGHZ 119, 257; 122, 333, 336).
c) Zu Lasten des Stammkapitals gehende Auszahlungen an einen oder mehrere
Gesellschaf-ter sind gemäß § 31 Abs. 1, 2 GmbHG von diesen zu erstatten; die
übrigen haften dafür auch bei Mitwirkung an der Transaktion – vom Fall einer
Existenzgefährdung der GmbH abgese-hen – regelmäßig nur unter den
Voraussetzungen der §§ 31 Abs. 3, 43 Abs. 3 Satz 3 GmbHG (Klarstellung
gegenüber BGHZ 93, 146). Die Darlegungs- und Beweislast für diese
Voraussetzungen trifft im Streitfall die GmbH.
10. BGH-Urt vom 07.06.1999 – II ZR 278/98 – BGB § 242 Cc; HGB §§ 161, 119; ZPO
§ 256
a) Bei einer Personengesellschaft – auch einer körperschaftlich strukturierten
Publikums-KG- unterliegt die Geltendmachung der Unwirksamkeit von
Gesellschafterbeschlüssen durch Feststellungsklage ( § 256 Abs. 1 ZPO) ohne
eine dahingehende Bestimmung im Ge-sellschaftsvertrag keiner Klagefrist,
sondern nur der Verwirkung.
b) Zur Auslegung des Gesellschaftsvertrages einer Publikums-KG bei Fehlen
einer aus-drücklichen Bestimmung, daß ein Rechtsstreit über die Wirksamkeit
von Gesellschafterbe-schlüssen (ausnahmsweise) auch mit der Gesellschaft
ausgetragen werden kann.
11. BGH-Urt vom 06.05.1999 – III ZR 265/98 – ZPO § 519 Abs. 3 Nr. 2
Zu den inhaltlichen Erfordernissen einer Berufungsbegründung.
12. BGH-Urt vom 18.03.1999 III ZR 93/98 – BGB §§ 138 Cf, 652
Zur Frage, ob ein Maklervertrag betreffend die Vermittlung von Aufträgen an
einen Archi-tekten sittenwidrig ist.
13. BGH-Urt vom 11.03.1999 – III ZR 292/97 – BGB §§ 195, 676
Schadenersatzansprüche aus der Schlechterfüllung eines selbständigen,
unentgeltlichen Aus-kunfts- oder Beratungsvertrages verjähren gemäß § 195 BGB
in 30 Jahren.
14. BGH-Beschluß vom 06.05.1999 – V ZB 1/99 – ZPO § 513 Abs. 2
Die Berufung gegen ein zweites Versäumnisurteil, durch das der Einspruch gegen
ein auf-grund mündlicher Verhandlung ergangenes Versäumnisurteil verworfen
wird, kann nicht auf die fehlende Schlüssigkeit der Klage gestützt werden.
15. BGH-Urt vom 29.06.1999 – VI ZR 264/98 – BGB § 823 Ah, § 1004; GG Art. 1,
2, 5
Zur Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit dem Recht auf
Äußerungs- und Pressefreiheit bei der Entscheidung über eine Klage auf
Unterlassung der Veröffentlichung des von einem englischen Gericht als
Scheidungsgrund genannten Ehebruchs eines Angehö-rigen des Hochadels in einem
Zeitungsartikel.
16. BGH-Beschluß vom 09.03.1999 – VI ZB 3/99 – ZPO § 233
Ein Rechtsanwalt muß Akten, die ihm am Vorfristtage als Vorfristsache
vorgelegt werden, nicht sofort bearbeiten und auch die von seinem Büropersonal
notierte Frist zur Begründung eines Rechtsmittels nicht sofort überprüfen.
17. BGH-Urt vom 18.05.1999 – VI ZR 192/98 – BGB § 823 Aa, Dc, M
Zur Instruktionspflichtverletzung des Herstellers eines Papierreißwolfs
bezüglich der von außen nicht erkennbaren Gefahr einer Verletzung der Finger
des Benutzers.
18. BGH-Urt vom 04.05.1999 – VI ZR 379/98 – BGB § 823 Ef
Zur Verkehrssicherungspflicht gegenüber Kindern (Absicherung eines
Notausstiegs auf ei-nem Schulgelände).
19. BGH-Urt vom 24.06.1999 – VII ZR 120/98 – BGB § 781
Ein kausales Schuldanerkenntnis setzt voraus, daß die Parteien sich über
Streitpunkte oder Ungewißheiten geeinigt haben, die aus ihrer Sicht nach den
Umständen des Einzelfalles klä-rungs- und regelungsbedürftig waren.
20. BGH-Urt vom 10.06.1999 – VII ZR 157/98 – ZPO § 929 Abs. 3
Eine aufgrund einer einstweiligen Verfügung durchgeführte
Vollstreckungsmaßnahme ist unwirksam, wenn der Antragssteller die
Zustellungsfrist gemäß § 929 Abs. 3 ZPO versäumt hat.
21. BGH-Beschluß vom 10.06.1999 – VII ZB 17/98 – ZPO § 3
Zur Frage des Wertes der Beschwer einer im Rahmen einer Stufenklage zur
Auskunft ver-urteilten Partei, die sich unter anderem auf ein
Geheimhaltungsinteresse an der zu erteilen-den Auskunft beruft.
22. BGH-Urt vom 10.06.1999 – VII ZR 170/98 – AGBG § 2 Abs. 1 Nr. 2
Gegenüber einer weder im Baugewerbe tätigen noch sonst im Baubereich
bewanderten Ver-tragspartei kann die VOB/B nicht durch die Klausel in den
Vertrag einbezogen werden, dem Vertragspartner werde vom Verwender der Text
auf Wunsch kostenlos zur Verfügung ge-stellt.
BGB § 640 Abs.1
a) Der Einzug in das Bauwerk oder dessen Nutzung sind jedenfalls dann keine
hinreichende Grundlage für eine konkludente Abnahme, wenn der Auftraggeber vor
dem Einzug oder der Nutzung die Abnahme zu Recht aufgrund von Mängeln
verweigert hat, die zum Zeitpunkt des Einzugs oder der Nutzung nicht beseitigt
worden sind.
b) Der Auftraggeber ist in einem derartigen Fall nicht gehalten, beim Einzug
oder mit dem Beginn der Nutzung die Abnahmeverweigerung zu wiederholen.
23. BGH-Urt vom 06.05.1999 – VII ZR 132/97 – BGB §§ 134, 138, 177
a) Ein im Zusammenhang mit einer Bestechung abgeschlossener Architektenvertrag
ist nicht ohne weiteres nichtig.
b) Ein Geschäftsführer ist im Zweifel ohne vorherige Information seines
Geschäftsherrn nicht befugt, für diesen einen Vertrag mit dem
Verhandlungspartner abzuschließen, der den Geschäftsführer gerade bestochen
hat.
24. BGH-Urt vom 02.06.1999 – VIII ZR 112/98 – ZPO § 398 Abs. 1
Die erneute Vernehmung eines Zeugen ist geboten, wenn das Berufungsgericht die
proto-kollierte Aussage anders verstehen oder ihr ein anderes Gewicht
beimessen will als die Vo-rinstanz.
25. BGH-Urt vom 01.07.1999 – IX ZR 161/98 – BGB § 276 Fa, § 765 Abs.1
Übernimmt jemand eine Bürgschaft, nachdem er es abgelehnt hat, zur Absicherung
der For-derung eine Grundschuld an seinem Grundstück als seinem einzigen
nennenswerten Vermö-gensgegenstand zu bestellen, so ist der Gläubiger, wenn
für ihn erkennbar der Bürge nicht weiß, daß die Bürgschaft im wirtschaftlichen
Ergebnis den Zugriff auf das Grundstück eben-so ermöglicht wie eine dingliche
Belastung, verpflichtet, ihn hierauf hinzuweisen.
26. BGH-Urt vom 24.06.1999 – IX ZR 363/97 – BGB § 852 Abs. 1
Auch im Arzthaftungsprozeß beginnt die Verjährung, wenn mehrere
Ersatzpflichtige ernst-haft in Betracht kommen, erst mit dem Zeitpunkt, in dem
begründete Zweifel über die Per-son des Ersatzpflichtigen nicht mehr bestehen.
27. BGH-Urt vom 18.05.1999 – X ZR 105/96 – ZPO § 528 Abs. 2
Das Berufungsgericht ist nicht in jedem Fall verpflichtet, eine drohende
Verzögerung des Rechtsstreits infolge verspäteten Vorbringens durch
vorbereitende Zeugenladung auszu-
gleichen. Die vorbereitende Ladung von acht Zeugen zu einem umfangreichen
Prozeßstoff darf als unzumutbar angesehen werden.
28. BGH-Urt vom 18.05.1999 – X ZR 158/97 – BGB § 518; ZPO § 286 G
Zu den Substantiierungsforderungen bei Behauptung eines
Schenkungsversprechens.
29. BGH-Urt vom 02.02.1999 – XI ZR 381/97 – BGB §§ 826 (D), 830
Zur Mittäterschaft einer Vermittlungs-GmbH und ihrer Geschäftsführer bei der
vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung von Anlegern bei
Warenterminoptionsgeschäften.
30. BGH-Urt vom 30.06.1999 – XII ZR 55/97 – BGB §§ 566 Satz 1, 126
a) Zum Erfordernis der Urkundeneinheit zwischen Vertragsurkunde und in Bezug
genom-menen Anlagen (Ergänzung zum Senatsurteil BGHZ 136, 357 und zu BGH,
Urteil vom 21. Januar 1999 – VII ZR 93/97 – MDR 1999, 473).
b) Zur Bestimmbarkeit des Inhalts eines der Schriftform unterliegenden
Mietvertrages durch Auslegung anhand außerhalb der Urkunde liegender Umstände.
31. BGH-Urt vom 27.04.1999 – KZR 54/97 – GWB §§ 21 ABs. 1, 26 Abs. 1
Sitzender Krankentransport
Trifft eine gesetzliche Krankenkasse mit einzelnen Taxiunternehmen für
Krankentransporte Vergütungsvereinbarungen, die sich ausschließlich auf das
nicht tarifgebundene Fahrgebiet beziehen, dann liegt in der undifferenzierten,
auch das zu behördlich festgelegten Preisen zu bedienende Pflichtfahrgebiet
einschließenden Aufforderung an die in ihrem Bezirk nieder-gelassenen Ärzte,
Patienten bei der Verordnung von Krankentransporten vorrangig an die genannten
Taxiunternehmen zu verweisen, ein unzulässiger Boykottaufruf zum Nachteil der
an der Vereinbarung nicht teilnehmenden Personenbeförderungsunternehmen.
Die Entscheidungen können unter Angabe des Aktenzeichens bei der
Geschäftsstelle des Bundesge-richtshofs oder dem Verfasser im vollständigen
Urteilsabdruck angefordert werden (Fax: 0721-24501)
Stand: 11. August 1999 Dr. Dr. Norbert J. Gross, RA beim
BGH
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